Geschichte

Kachelvasen – zwischen dänischem Design und Partykeller-Chic

Bisher war es mir nicht möglich, verlässliche Daten über den kulturhistorischen Hintergrund der Kachelvasen zu finden. Das Internet ist (komischerweise) leer, wenn es um Kachelvasen geht.

Dabei geht es mir es vor allem darum, einige grundsätzlichen Fragen zu beantworten:
• Wie wurden die Vasen angefertigt und wer hat die Vasen hergestellt?
• Wann wurden die Vasen gefertigt? Gibt es ältere und neue Vasen?
• Wie sind die Vasen in die Wohnzimmer gekommen?
• Sind die Vasen nur in Deutschland verbreitet gewesen? Auch in der DDR?
• Warum Kachelvasen?

Bisher habe ich keine Antworten auf diese Fragen gefunden. Deshalb möchte ich hier vorerst einige Thesen formulieren, die sich durch die Erfassung der Sammlungsobjekte und der künstlerischen Arbeit mit und an den Vasen ergeben haben. Die Plausibilität und Richtigkeit dieser Thesen wird sich (hoffentlich) durch die weitere „Forschung“ an den Objekten und deren kulturhistorischem Hintergrund zukünftig belegen lassen.

Thesen

• Kachelvasen sind zum größeren Teil individuelle „Bastelarbeiten“.
• In den Bastelläden der 60er Jahre gab es Sets aus Betonzylindern, Kachelmatten, Fugenmaterial und Kleber zu kaufen.
• Die verwendeten Kachelmatten mussten als industrielles Produkt vorhanden sein.
• Zuerst gab es industrielle/manufaktorische Serien und danach gab es den Bastelboom – oder andersherum.
• Das Ende der klassischen Kasselvasen kam in den späten 70er Jahren, als das Design nur noch als kitschig und spießig angesehen wurde.

Design- und Kulturgeschichte

Dass die Vasen Design-Objekte der 60er Jahre sind, ergibt sich aus den kunstgeschichtlichen Hintergrund des Designs der Vasen (siehe unten).

Grundlage der Herstellung sind industriell gefertigte Kachelmatten auf Plastikvlies. Hier meine persönliche Erinnerung:
Ende der 60er Jahre hat mein Vater und mein Onkel in meinem „Geburtshaus“ (das mein Vater höchstpersönlich als Maurerlehrling bei seinem Vater, der ein kleiner Bauunternehmer war, Ende der 30er Jahren gebaut hat) die Etagenwohnung für die Familie seiner Schwester ausgebaut. Dafür musste auch ein Badezimmer ausgestattet werden, für das der neue Bodenbelag mit weiß-grauen Kachelmatten angelegt wurde. In unserem „originalen“ Badezimmer waren kleine schwarz-weiße Kacheln verlegt.

Herstellung

Die Vasen wurden  als individuelle Bastel-Objekte gefertigt. Darauf weißt die Verwendung haushaltsüblicher Flaschen und Gläser als Träger der Vasenmosaike hin (Granini-Fruchtsaftflasche 0056, Senfglas 0065, Weinflasche(?) 0026). Auch die dazu gebauten Podeste zweier Vasen (0059, 0075) und die teilweise sehr ungleichmäßige Bearbeitung der Mosaike (0021) bestätigen diese Annahme.

Die Vasen wurden als industrielle Objekte gefertigt und verkauft. Einige Vasen der Sammlung haben eine für Vasen-Manukfakturen typische Kennungen am Boden. Hier in der Sammlung sind diese unter der Kategorie SAWA-Vasen zu finden. Die Vasen-Fabrik Sawa Franz Schwaderlapp, Ransbach-Baumbach im Westerwald wurde im Jahre 2005 abgewickelt. Ob die Vasen wirklich von SAWA gefertigt wurden, ist nicht geklärt, allerdings verweist die Verwendung von Steingut als Trägermaterial, die Krugform und eine Ebay-Kleinanzeige in die Richtung.

Die Höhe der Vasen entspricht oft deren Unfang, sodass zur Bearbeitung eine quadratische Kachelmatte benutzt werden kann. Interessanterweise gibt es aber so gut wie keine Anschlussfugen, die dann breiter oder schmaler ausfallen würden.

Kunstgeschichte

(Aus urheberrechtlichen Gründen werden die jetzt hier folgenden kunsthistorischen Verweise nur als Link und nicht als Abbildung gesetzt!)

Bodenmosaike sind seit der Antike und früher bekannt. Wiki -> Mosaik

Wandfliesenmosaike waren in den 50er Jahren in der Architektur große Mode – als Beispiel dafür dient die alte, trotz Denkmalschutz abgerissene und von mir schmerzlich vermisste Dortmunder Stadt- und Landesbibliothek am Hansaplatz (1958). Link -> Dortmunder Stadt- und Landesbibliothek

Die Vasen sind aber selten wirklichen Mosaike, die Motive darstellen oder mäanderte Muster zeigen, sondern kleine Einheiten von großen Mustern, die eigentlich quadratmeterweise auf Badezimmerböden (oder -wänden) verlegt wurden. Die Gestaltungsgrundlage dafür ist Produktdesign auf industriellem Niveau. Und die Produktdesigner nehmen den aktuellen „Zeitgeist“ auf, um damit massentaugliche Produkte zu entwickeln.

Durch die künstlerische Arbeit mit und an den Vasen ist mir dann klar geworden, wie stark sich das Design der Vasen an den künstlerischen Entwicklungen der 50er Jahre orientiert. Das ist die große Zeit des abstrakten Expressionismus. Und die Zeit der aufkommenden Postmoderne mit Concept- und Landart und der Popart, deren Einflüsse zwar eher gering sind, aber der die Vasen quasi als Objekt angehören.

Die Muster der Vasen haben mich zuallererst an Ernst Wilhelm Nay erinnert.
Link -> Nay

Und die Pausen in den Mustern, die Fugen der Vasen, lassen mich an Lucio Fontana denken.
Link -> Fontana

Aber dann fanden mich auch die amerikanischen Großmeister  Willem de Kooning,  Jackson Pollok und dessen Frau Lee Krasner, die für mich schon immer die bessere Künstlerin der beiden war.
Link1 -> de Kooning | Link2 -> de Kooning | Link -> Pollok | Link -> Krasner

Natürlich haben die Muster auch klassisch-moderne Vorlagen wie Piet Mondrian und Giorgio Morandi, der ja fast ausschließlich Vasen gemalt hat.
Link -> Mondrian | Link -> Morandi
Dabei fällt mir auf, dass natürlich zu jedem Blumenstillleben (memento mori) eine Vase, wenn auch keine Kachelvase gehört.

Und überhaupt auch die großen Farbmagier Joseph Albers, Mark Rothko und Yves Klein.
Link -> Albers | Link -> Rothko | Link -> Klein

Schließlich im Übergang zur Postmoderne, Richard Serra und Carl Andre, auch wenn hier die offensichtliche Zuweisung vor allen in der Form der Quadrate liegt.
Link -> Serra | Link -> Andre